Liebe Unterstützer :innen,
vorab die allgemeinen wirtschaftlichen Daten zu Nepal (Stand 2020):
Einwohnerzahl: knapp 30 Mio.
Bruttosozialprodukt: 33,60 Mrd. USD
Jahres-Pro-Kopf-Einkommen: 1.180 USD
Vier Krisen in den letzten drei Jahrzehnten und jetzt die 5. Krise:
- Bürgerkrieg 1996 -2006
Der fast zehn Jahre dauernde Bürgerkrieg mit 9.000 – 10.000 Toten zwischen der damaligen königlichen Armee und den maoistischen Aufständischen konnte erst gegen 2006 beendet werden. Allein in 2002 gab es 5.000 Tode. Ein großer Schock für das Land war in 2001 das Massaker des damaligen Kronprinzen an seinem Vater und fast der gesamten königlichen Familie. Der Bruder des ermordeten Königs übernahm dann für eine kurze Zeit die Macht; über das Massaker und die Machtübernahme gibt es bis heute viele Spekulationen. Im Jahr 2008 endete die Hinduistische Monarchie nach über 240 Jahren und jetzt ist Nepal eine Demokratische Republik. Aber viele alte Probleme und ein ständiger Streit der Parteien, Korruption und Stillstand bei vielen wichtigen Entscheidungen ist heute noch präsent.
Wichtig ist auch zu wissen, dass der schmale Landstreifen Nepal als Puffer- Staat zwischen den Großmächten Indien und China fungiert, die unterschiedliche Interessen haben.
- Erdbeben 2015
Das Erdbeben verursachte schlimme Auswirkungen mit ca. 9.000 Toten und erheblichen Zerstörungen von Gebäuden, Kulturdenkmälern und Infrastruktur.
- Grenzblockade durch Indien 2015
Kurz nach dem Erdbeben gab es eine mehrmonatige Grenzschließung durch Indien. Die Begründungen der indischen Regierung/Modi waren mehr als zweifelhaft. Letztendlich hat man in bestimmten Bereichen politischen Druck auf Kathmandu ausüben wollen. Sehr wenig ist über dieses damalige sehr große Problem in der Weltöffentlichkeit berichtet worden. Fakt ist aber, dass der wirtschaftliche Schaden durch diese Grenzblockade nach Meinung von Ökonomen größer war als der des Erdbebens. Man muss wissen 90 % des Güterverkehrs kommt über LKWs von Indien. Es gab zum Beispiel keine Gaszylinder mehr und ich sah, dass wir im Kinderhaus im Umfeld Holz sammeln mussten damit der Reis gekocht werden konnte.
- COVID-19 Pandemie 2020-2022
Hierzu hatten wir auch immer wieder berichtet. Die medizinische Infrastruktur ist hier absolut an ihre Grenzen gekommen.
Internationale Hilfe war notwendig, allein über Caritas Nepal wurde mit rund einem Dutzend internationalen Partnern ein Programm mit einem Budget von 710.000 EUR in 2021aufgelegt. Unser Verein hat sich dabei mit 85.000 EUR beteiligt. Aktuell ist die COVID Situation wieder recht entspannt. Aber die wirtschaftlichen Nachwirkungen sind natürlich da. Praktisch zwei Jahre wirtschaftlicher Stillstand, nicht nur in der Tourismusbranche. Eine Million Menschen, die unmittelbar vom Tourismus leben, haben jetzt schon zwei Jahre kein Einkommen gehabt. Mein Hotel Himalaya wo ich seit über zehn Jahren unterkomme, hat sowohl im Oktober 2021 wie auch jetzt im Februar/ März 2022 bestenfalls eine Belegungsquote von 10-15 % gehabt.
- Krise. Auswirkungen des Ukraine Kriegs
Bei uns in Deutschland ist wahrscheinlich noch nicht allen Menschen klar, was neben dem menschlichen Leid und den vielen Millionen Flüchtlingen, hoffentlich nur temporär, an wirtschaftlichen und finanziellen Auswirkungen auf die Welt zukommt. Nepal ist ein äußerst plastisches Beispiel was dieser Krieg bei Ländern wie z.B. Nepal anrichtet.
Lebensmittelpreise: Man muss wissen, dass hier das Transportwesen mit LKW eine ungemein wichtige Rolle spielt. Alle Güter des täglichen Lebens wie auch Lebensmittel müssen von A nach B transportiert werden, und dies mit LKWs, seien es Güter aus Indien aber auch aus der Tiefebene des Landes ins Kathmandu Tal. Die explodierenden Flüssiggas-, Diesel- und Benzinpreise schlagen sich unmittelbar auf die Lebensmittelpreise nieder.
Der Preis für Benzin und Diesel ist gegenüber dem schon hohen Stand vor einem Jahr jetzt schon um über
40 % gestiegen. Benzin kostet jetzt circa 160 Rupie =1.23 EUR. Auf die Bevölkerung hat das große Auswirkungen, denn man ist auf Auto, Mini-Taxi, Bus, LKW angewiesen. Dazu kommt, dass Reisen auf etwas längeren Strecken nur mit Inlandsflügen geht und hier sind die Kerosinpreise explodiert und viel teurer als zum Beispiel in Indien. Ein Flug von Kathmandu nach Simara, keine 150 km, hat jetzt für den 15 Minuten- Flug für Nepalesen ungefähr 15 $ gekostet, für mich übrigens 32 $. Mit dem Bus würde es 5-6 Stunden dauern. Die Infrastruktur ist noch so weit zurück, dass man neben den öffentlichen Verkehrsmitteln und PKWs auf Inlandsflüge bei längeren Stecken angewiesen ist.
Von den Preisen für Mehl möchte ich im Moment gar nicht sprechen, denn das ist praktisch unbezahlbar geworden. Sonnenblumenöl oder andere Ölsorten, die vor der Pandemie bei 160 Rupie lagen, liegen jetzt bei knapp 300 Rupie= 2,31 EUR.
Gottseidank hat Nepal einen gewissen Eigenversorgungsgrad u.a. mit Reis, aber nicht ausreichend, es muss importiert werden. Unabhängig davon, ob Gemüse aus Nepal kommt oder aus Indien, die Preise sind
- 60 % höher im Vergleich vor einem Jahr.
Sehr wahrscheinlich dürfte auf weitere Sicht der touristische Bereich bestenfalls nur auf einem sehr niedrigen Niveau laufen, denn man muss wissen, auch die Preise für internationale Flüge sind schon sehr stark gestiegen und werden noch weiter steigen; und das hat auf den Tourismus Auswirkungen. Wie nachzulesen ist, benötigt man von für einen 7 Stunden Flug von Kathmandu nach Istanbul mit einem Airbus 330 oder Boeing 777 ca. 40 t Kerosin und hat Kosten von 75.000 $ .Zum Beispiel mit 200 Passagieren entspricht dies ungefähr dem Preis eines Economy Tickets nach den Preisen vor einem Jahr.
Was bedeutet das alles für das Land?
Es kommt einiges an Negativen zusammen.
Ein Land das schon vor den vier Krisen in der Länderscala ganz weit hinten war, geprägt durch
– geringes Prokopf- Einkommen
– fast 90 % Agrarwirtschaft
– jegliche höherwertige Technik muss eingeführt werden
– massiver Anstieg von Grundstückspreisen und Mieten
– miserable politische Kultur und Struktur
– Eingezwängt von zwei rivalisierenden Großmächten, die ihre eigene Agenda für Nepal haben (was jedoch auch bei geschickter Politik Vorteile bringen könnte)
-Leider immer noch Rückstand beim Ausbau der Wasserkraft
-Und jetzt durch Ukraine explodierende Preise für Lebensmittel, Treibstoffe etc.
Zusammen gefasst kann man sagen, jetzt in der 5. Krise des Landes, innerhalb von knapp drei Jahrzehnten liegt Nepal wieder am Boden und wird auf lange Zeit noch auf internationaler Hilfe angewiesen sein.
Jedoch: Wer einmal dort war, hat das Land und ihre Menschen ins Herz geschlossen. Die Vielfalt der Kultur, Natur, Fauna und Tierwelt muss man gesehen haben.
Was bedeutet das für unsere Vereinsarbeit?
Als wir jetzt drüben waren (wir sind am 03.März wieder zurück geflogen), konnte man die Auswirkungen nur erahnen, aber zwischenzeitlich müssen wir tatsächlich speziell im Kinderhaus bei Lebensmitteln, Verbrauchsmaterial, Energiekosten, Flüssiggaszylinder zum Kochen etc. mit deutlich höheren Kosten rechnen. Wir schätzen, dass sich hier die Zusatzkosten auf ca. 9.000 EUR belaufen werden. Was wir im Moment nicht absehen können, in wieweit es spezielle Engpässe in der Versorgung geben wird. Alle anderen Projekte sind im Moment nicht davon betroffen, weil hier die Kontrakte bereits abgeschlossen wurden (Zwei Schulbus-Bestellungen für Don Bosco und für die Schule in Simara). Dass im Ausbildungsinstitut und den Schulen von Don Bosco und der Schule der SABS Schwestern in Simara ebenfalls mit höheren Kosten gerechnet werden muss, ist klar, hat aber auf unser Budget zumindest im Moment keinen Einfluss.
Zusammengefasst, wir sind bereits betroffen, aber hoffentlich nur mit überschaubaren Auswirkungen. Sorge bereitet uns die Entwicklung und Gesamtsituation im Land und das können wir nicht absehen.
Man erwartet, dass der Krieg weitreichende Konsequenzen auf die bereits wieder rückläufige Economy haben wird.
Unsere Arbeit als Verein ist wichtiger denn je!
Unser Spendenkonto: DE31 6704 0031 0661 8771 00
Nächste Reise: Wir fliegen am 22.09.2022. Die ersten drei Tickets sind gebucht.
Für Fragen stehe ich ihn gerne per E-Mail oder telefonisch zur Verfügung.
Wiesloch, 05.04 2022
Manfred Brenneisen